new trinity and unity | Zeichen der Zeit – 30-05-10 Trinitatis


Zeichen der Zeit – 30-05-10 Trinitatis

News zu Diversa [Teil 3]

Liebe Leser,

an diesem etwas stürmisch-wetterwendischen nachpfingstlichen Sonntag, an dem die Christen seit 1334 Gottes Dreifaltigkeit feiern und der in diesem Jahr auf Dantes 745. Geburtstag fällt, möchte ich damit beginnen, nochmals zurückzukommen, was ja in meinen Hinweisen gerade auch der letzten Zeit zum Begriff der „Neuen Sozialen Architektur” immer wieder betont wurde, dass man sich ganz und gar auf der Seite Rudolf Steiners wissen darf, wenn man sich anschickt, den begrifflichen Kern des anthroposophischen Sozialimpulses heute anders zu beschreiben, als er es zu seiner Zeit getan hat. Zu dieser Notwenigkeit gibt es ja von seiner Seite mehrere explizite Äußerungen bis zu seinem letzten Lebensjahr. Ich habe manches daraus mehrfach zitiert und möchte hier nur an jene Stelle aus seinem Pfingstvortrag vom 15. Mai 1910 [GA 118, S. 179] erinnern, wo er diesen Gedanken sogar auf die Evangelien bezieht und sagt: „Nicht damit wir festhalten an den wenigen Worten der Evangelien, die in dem ersten Jahrzehnt der Begründung des Christentums gesprochen worden sind, ist der Heilige Geist herniedergegossen worden, sondern darum ist er ergossen worden, dass immer Neues und Neues die Botschaft des Christus erzählen kann.”

1. Dass ich nach einer langen Zeit der Annäherung - mit ersten andeutenden Formulierung schon 1978/79 - ab dem Jahr 2000 dann immer deutlicher von der „Viergliederung” des sozialen Organismus zu sprechen und zu schreiben begann, war ja keine Laune. Vielmehr kam es zur Begegnung mit dieser Idee in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober 2000. Wir hatten an diesem Wochenende in Achberg die Inter Citizens Conferences [ICC] zu Gast, eine damalige Organisation der europäischen Zivilgesellschaft, die in Halbjahresabständen sich in verschiedenen EU-Ländern traf, um die Entwicklungen des Charta-Prozesses kritisch zu begleiten. Die vorherige Konferenz fand in Madrid statt und unsere beiden jungen Mitarbeiter Jens Büscher und Gerhard Schuster konnten erreichen, dass man sich wenige Wochen vor dem Abschluss des Charta-Prozesses in Nizza, zu dem wir ja einen Alternativ-Entwurf vorgelegt hatten [s. www.ig-eurovision.net/pdf/Charta-Entwurf.pdf ], im Oktober in Achberg treffen wollte. Am 6. Oktober verlief die Arbeit stockend; man fand keine zündende Idee, wie man sich anlässlich des EU-Ratstreffens als Zivilgesellschaft noch hätte deutlich vernehmbar machen können. Man grübelte über „Aktionen”, doch nichts war überzeugend. So ging man bei schönem sternenbeglänzten Himmel in die Nacht. -

Ich erwachte am nächsten Morgen mit zweierlei Bildern im Bewusstsein: Zum einen das Bild eines Bienenkorbes und diesen fleißig besuchenden ein- und ausfliegenden Bienen [ein Geschehen im Raum]. Zum andern ein zweites Bild. Da ruhte der innere Blick auf dem Weg, den die europäische Gemeinschaft seit ihren ersten Schritten mit den Römischen Verträgen vom März 1957 bis zum Nizza-Gipfel zurückgelegt hatte, wo jetzt das erste Element eines Verfassungsvertrages [mit der Charta der Grundrechte] beschlossen werden sollte. Und dieser Weg zeigte als seine innere Entwicklungslogik - also als Geschehen in der Zeit - die Gestalt der systemischen Ordnung jener Wirklichkeit, die von Steiner mit dem Begriff des „sozialen Organismus” beschrieben wurden - jedoch nicht als eine „Drei-sondern eine „Viergliederung” als der der neue Typus pulsierte, insofern er neben der geistigen Werteordnung [Grund- und Menschenrechte], der Wirtschaftsordnung [des „gemeinsamen Marktes"], der politischen Ordnung [mit ihren Organen und den verschiedenen Verträgen] als ein viertes Glied das monetären System der Währungsunion [mit der EZB in Frankfurt] zeigte.

Noch bevor ich mit diesem Arbeitsergebnis aus der Zeit des Schlafes zur Konferenz zurückkam, brachte ich die beiden Bilder dergestalt zusammen, dass ich in der Tätigkeit der Bienen das Wirken jenes Wesens erkannte, das im Menschenleben dasjenige des Volkes bzw. der Völker der Europäischen Union ist, wie es sich im sozialen Organismus auf der Stufe dieser Sozialentwicklung in den genannten vier Sphären verwirklicht. So gerüstet trug ich den Versammelten die „Offenbarung” vor - sie wurde wie eine Befreiung empfunden und als Perspektive erlebt, wie sie nun im weiteren Verlauf der Dinge - auch ohne Demo in Nizza! - uns als Wegweiser für alles Weitere würde dienen können.

Es schlossen sich dann mehrere intensiv-kreative Monate an, in denen zweierlei gelungen ist: er­stens konnte ich das aus der Nacht mitgebrachte Doppelbild in eine baukünsterlische Erscheinungsform - d. h. eine Architektur, das Urbild des Medianum-Baues, mit zunächst einer einzigen Kuppel, dem „Honig-Dom” -  umsetzen. Daraus gingen dann in den nächsten Jahren bis heute unter Mithilfe einiger kreativer Mitarbeiter weitere Projekte und architektonische Modelle und Entwürfe hervor, die alle realisierbar wären und eine neue Bauepoche begründen könnten, wenn es dafür die notwenige Unterstützung einer Bewegung gäbe. Dies war aber zweitens nur möglich geworden, weil ich aus einer geschichtlichen Betrachtung des Wege zur Europäischen Union auch bereits in Steiners „mitteleuropäischem Programm”, wie er es für die deutsche und österreichische Regierung 1917/18 in zwei „Memoranden” dargelegt hatte, erkannte, dass auch er in diesen Dokumenten bereits den Gesellschaftstypus einer aus drei „Sphären” sich bildenden Ordnung  beschrieb, deren monetäre Verhältnisse ein „Senat” zu gestalten gehabt hätte; also eine Viergliederung” vorsah.

Ich würde in der Realisierung des Baugedankens zum Beispiel in jeder Hauptstadt der EU eine äußerst wirksame Tat für alle unsere politischen Projekte im engeren Sinn sehen, die auch hoch interessante wirtschaftliche Komponenten hat und eine „Goldgrube” werden könnte, wenn noch eine Reihe fähiger Architekten, Bauingenieure und initiative Unternehmer bzw. Manager sich finden würden. Sollte es unter den Lesern der ZdZ daran Interessierte geben, bitte ich um Nachricht.

2. Nun weiß ich ja nicht, wer unter den Lesern der ZdZ auch praktizierender Geisteswissenschaftler nach der forschenden Arbeitsweise ist, wie ich sie pflege und ja schon mehrfach methodisch charakterisiert habe - auch mit dem Vorstehenden, wo es auf diesem Erkenntnisweg, der sich nicht im Lesen und Kombinieren von Gedrucktem, sondern in der Betätigung des nicht mehr ans Gehirn gebundenen Bewusstseins als Imagination, Inspiration und Intuition manifestiert. Dann mag das Erlebnis in der Erfahrung des Erwachens einer Idee nachempfunden werden können aber auch das „Grau in Grau”, wenn dann mit Verstandeslogik, die nur bis zu einem gewissen Grad zum Gewahren der Ideenwelt vordringen kann, Debatten geführt werden, die eben wirklich wie neospätscholastisches Süßholzraspeln dastehen, anstatt sich wenigstens der goetheanistischen Arbeitsweise zu bedienen, wie ich es auf unseren allgemeinen Netzseiten versuche. Ich habe ja schon nun bald vor 13 Jahren in dem mehrfach angeführten Aufsatz vom 13. Juli 1997 [auch im Zusammenhang mit den Fragen der damaligen EU-Konstitutionsdebatte] darauf hingewiesen, dass wir auf verlorenem Posten stünden, wenn wir nicht eine erweiterte Zusammenarbeit mit der übersinnlichen Welt pflegen würden, um auch das mit in unser Tun aufnehmen zu können, was nur von jenseits der Schwelle kommen kann. Was ich in dieser Korrespondenz mitteile ist Frucht dieser Zusammenarbeit.

Auch diejenige, die wir mit unserem Tagesbewusstsein pflegen müssen, ist verbesserungsbedürftig. Deshalb freue ich immer über Echos wie dieses, das mir ein Leser geschrieben hat und mit dem ich schließen möchte. Er schickte jene Meditation, die Rudolf Steiner vor 100 Jahren an den Schluss des erwähnten Pfingstvortrags stellte:

„Wesen reiht sich an Wesen in Raumesweiten,
Wesen folgt auf Wesen in Zeitenläufen.
Verbleibst Du in Raumesweiten, im Zeitenlauf,
So bist du, o Mensch, im Reiche der Vergänglichkeiten.
Über sie aber erhebt deine Seele sich gewaltiglich,
Wenn sie ahnend oder wissend schaut das Unvergängliche,
Jenseits der Raumesweiten, jenseits der Zeitenläufe.”

Und fügte als persönliches Echo auf die gestrige Ausgabe der ZdZ hinzu: „Das ist wunderbar, wie das genau passt auf das, was Du uns mitgeteilt hast. Einerseits das sich Wandelnde. Die Notwendigkeit mit dem Wandel mitzugehen, nicht zu “verbleiben”, gerade um dem Ewigen gerecht zu werden und nicht dem “Vergänglichen” zu verfallen.” Vielleicht gibt es ja außer ihm noch den einen oder anderen unter den Lesern, die es auch so empfinden.

Ich werde jedenfalls den Weg, der in vier Jahrzehnten dahin geführt hat, wo wir jetzt mit der Achberger Arbeit angekommen sind, weiter gehen - solange wenigsten „zwei oder drei versammelt sind”.

Mit Gruß - Wilfried Heidt

Diese Ausgabe widme ich Zsoka Pathy zu ihrem heutigen Geburtstag. Alles Gute!