new trinity and unity | Zeichen der Zeit - 11-07-10 -Hochsommer


Zeichen der Zeit - 11-07-10 -Hochsommer

„Wandelt euch durch ein neues Denken.” Apostel Paulus, Brief an die Römer, 12,2

Liebe Leser, liebe Freunde -

1. wie schon mehrfach erwähnt, ist ja der Name dieser Korrespondenz - „Korrespondenz” meint nicht Einbahnstrasse bestimmter Mitteilungen, sondern aktive Teilnahme am Mitgeteilten, weil hier ein singuläres Licht auf Phänomene im Zeitgeschehen geworfen wird und alle darauf gerichteten eigenen Wahrnehmungen wichtig und für das ganze Bestreben bereichernd sind, weshalb ich immer wieder um entsprechende Mitteilungen bitte - also: der Name dieser Korrespondenz hat seinen Ursprung in dem von mir oft zitierten Satz Rudolf Steiners aus seinem Eröffnungsvortrag zur Neubegründung der Anthroposophischen Gesellschaft anlässlich der Weihnachtstagung 1923/24, sie wolle fortan sein „eine Erfüllung dessen, was die Zeichen der Zeit mit leuchtenden Lettern zu den Herzen der Menschen sprechen” [siehe dazu im zeitgeschichtlichen Kontext http://www.sozialimpuls.info/assets/pdf/Aufgabe-der-AG-1997.pdf ]. Diesen fundamentalen Gedanken kann man sich gar nicht oft genug vergegenwärtigen. Er ist wie der Dekalog insgesamt! Und weil ja dieser Gedanke als Idee und Tat ein solcher der Geisteswissenschaft ist, haben wir es zu tun mit einem „Natur-Geist-Impuls”, der uns im Gang der Jahreszeiten in unterschiedlichen Färbungen begegnet, wenn wir offen sind, ihn aufzunehmen.

2. Und so will ich - wie auch immer wieder - eine Botschaft aus dem Zeitgeschehen aufgreifen, der man am heutigen Sonntagmorgen teilhaftig werden konnte, wenn man es sich zur Gewohnheit gemacht hat, sich für das zu interessieren, was an einem solchen Morgen etwa durchs Radio der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt wird. Und dann können gelegentlich von den Kirchen verantwortete Sendungen durchaus inspirierend sein. So auch heute.

Da hatte ich mir vom Vortag für 8:35 Uhr die Sendung aus der Katholischen Kirche „Himmelsbote Schmetterling” notiert, nachdem gestern schon durch die Nachrichten die erschütternde Meldung gegangen war, das Überleben von 80% unserer Schmetterlinge sei bedroht [Grund: Der Wachstumswahn unseres profitorientierten Wirtschaftssystems].

3. Um dann gleich nach den ersten Sätzen ein Gedicht Johann Gottfried Herders, des ostpreußischen protestantischen Theologen, Geschichts- und Kulturphilosophen der Weimarer Klassik, zu hören: „Liebes, leichtes, luftges Ding, Schmetterling, Das da über Blumen schwebet, Nur von Tau und Blüten lebet, Blüte selbst, ein fliegend Blatt, Das mit welchem Rosenfinger! Wer bepurpurt hat?” … bepurpurt hat - herrlich!

Nach vielen weiteren anregenden Gedanken und Bildern schließt die Autorin Hildegund Keul, eine katholische Theologin, ihr „Lob auf den Sommer” mit dem Gedicht „Rose und Schmetterling” von Rose Ausländer:

Wenn das weiße Morgenlächeln / über meinem Kelche hängt, / und der Frühluft leises Fächeln / sich in meinem Haar verfängt, / dass mein grüner Körperstengel / sehnsuchtschwer sich überneigt, / kommt ein schöner Falterengel, / der mit mir zum Himmel steigt. / Meine duftige Gewandung / wandelt er zum Flügelkleid, / über Tag und Mittagsbrandung / schweben wir durch lose Zeit. / Und wir schaukeln, und wir strahlen / unsre Seelen in die Luft, / füllen alle Blütenschalen: / er mit Farbe, ich mit Duft.”

Wer den 20-minütigen Beitrag hören möchte findet die Audio-Datei auf http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2010/07/11/dlf_20100711_0835_727e8d8a.mp3, zum Nachlesen auf: http://www.dradio-dw-kath.eu/beitrag.php?id=428

4. Nun stelle man sich vor, es gäbe wie selbstverständlich wenigstens am Sonntagmorgen auch eine solche Sendung - verantwortet von der Anthroposophischen Gesellschaft oder Christengemeinschaft und man könnte dann Gedanken hören über das, was aus der Sicht der Geisteswissenschaft zu sagen wäre zum Schmetterling und warum er in Gefahr geraten ist auszusterben, was zu sagen wäre über die Johannizeit, den Atmungsvorgang der Erde und den Atem der Geschichte - kurz: über das, was das Christentum in unserer Zeit als unsere mensch­liche Weltverantwortung fordert, wie einst im Mittelalter die großen Orden der Dominikaner, der Zisterzienser, der Franziskaner und der Templer sich ihrer christlichen Weltverantwortung gestellt haben [wie es auf www.wilfried-heidt.de/pdf/rundbrief-sommer-2010.pdf angedeutet ist].

Und weil auch nach mehr als einer vollen Lebenszeit nichts unternommen ist, dass das als etwas Selbstverständliches „in der denkbar größten Öffentlichkeit” praktiziert würde, was Rudolf Steiner mit den zitierten Gedanken ausgesprochen hat, durch den wir dieser Korrespondenz mit dekalogischer Signatur ihren Namen gegeben haben und hoffentlich immer mehr Freunde aus der anthroposophischen Bewegung sich korrespondierend damit verbinden werden, sei wenigstens hier das aus dem Zeitgeschehen oben Mitgeteilte ergänzt durch jene schlüsselhaften Sätze, mit denen schon der sechsundzwanzig­jährige Steiner 1887 in der Vorrede des 2. Bandes der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes gleich einem komprimierten Vademecum alles mit auf den Weg gegeben hat, dessen es zur Begründung einer „modernen Weltanschauung” - den heutigen „Glücks”-Philosophen und überhaupt allen „Heutigen” ins Stammbuch geschrieben - bedurfte:

„Nur der Tätige und zwar der selbstlos Tätige, der mit seiner Tätigkeit keinen Lohn anstrebt, erfüllt seine Bestimmung. Es ist töricht, für seine Tätigkeit belohnt sein zu wollen; es gibt keinen wahren Lohn. [...] Es kann, wenn die Aussicht auf ein erstrebtes Ziel wegfällt, nur die selbstlose Hingabe an das Objekt sein, dem man seine Tätigkeit widmet, es kann nur die Liebe sein. Nur eine Handlung aus Liebe kann eine sittliche sein. Die Idee muss in der Wissenschaft, die Liebe im Handeln unser Leitstern sein. Und damit sind wir wieder bei Goethe angelangt: «Dem tätigen Menschen kommt es darauf an, dass er das Rechte tue, ob das Rechte geschehe, soll ihn nicht kümmern. Unser ganzes Kunststück besteht darin, dass wir unsere Exi­stenz aufgeben, um zu existieren.» («Sprüche in Prosa»; Natw. Schr., 4. Bd., 2. Abt., S.464 u. 441.)

„Ich bin zu meiner Weltansicht nicht allein durch das Studium Goethes oder etwa gar des He­­gelianismus gekommen. Ich ging von der mechanisch-naturalistischen Weltauffassung aus,

erkannte aber, dass bei intensivem Denken dabei nicht stehengeblieben werden kann. Ich fand, streng nach naturwissenschaftlicher Methode verfahrend, in dem objektiven Idealismus die einzig befriedigende Weltansicht. Die Art, wie ein sich selbst verstehendes, widerspruchsloses Denken zu dieser Weltansicht gelangt, zeigt meine Erkenntnistheorie*. Ich fand dann, das dieser objektive Idealismus seinem Grundzuge nach die Goethesche Weltansicht durchtränkt. So geht denn dann freilich der Ausbau meiner Ansichten seit Jahren parallel mit dem Studium Goethes; und ich habe nie einen prinzipiellen Gegensatz zwischen meinen Grundansichten und der Goetheschen wissenschaftlichen Tätigkeit gefunden. Wenn es mir wenigstens teilweise gelungen ist: erstens meinen Standpunkt so zu entwickeln, dass er auch in andern lebendig wird, und zweitens die Überzeugung herbeizuführen, dass dieser Standpunkt wirklich der Goethesche ist, dann betrachte ich meine Aufgabe als erfüllt.” [Ganzer Text der Vorrede http://www.sozialimpuls.info/pdf/1887-goethes-erkenntnisart.pdf ].

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* Rudolf Steiner, Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller. Berlin u. Stuttgart 1886, 6. Aufl. GA 1960

Das ist die Chance der Befreiung. Darum geht es in „Die Chance der Befreiung”, der Revolutionierung aller bisherigen Revolutionsbegriffe [http://www.medianum.org]. Ein ewiges Sommermärchen. Denn: „Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen.” Mit und ohne Fußball - recht verstanden: „Ausnahmezustand des Bewusstseins” - mal nach oben, mal nach unten …

Mit Grüßen

Wilfried Heidt