new trinity and unity | Zeichen der Zeit - 13-07-10


Zeichen der Zeit - 13-07-10

Ergänzung zu „Volksabstimmung/Volksentscheid”

SPD-Vorstoß: Gabriel will Volksentscheide

SPIEGEL ONLINE - 11.07.2010

Wie schon in der letzten Ausgabe dieser Korrespondenz erwähnt, kam dieser „Vorstoß” - wie es zu erwarten war - in einem Interview in BILD am Sonntag.

Das las sich dort so:

„Die Bürger versuchen immer öfter, Politik per Volksentscheid zu korrigieren. In Bayern muss jetzt das absolute Rauchverbot in Gaststätten eingeführt werden, in Hamburg soll die Schulreform verhindert werden. Begrüßt der SPD-Chef die demokratischen Bewegungen?

Na klar! Alle vier Jahre ein Kreuzchen machen ist doch nicht der Gipfelpunkt der Volksherrschaft. Volksentscheide sind manchmal sogar der einzige Weg, Politik aus ihrer Selbstblockade zu befreien. Nehmen wir das Thema Bildungspolitik. Kein Bürger versteht, warum es dem Bund verboten ist, da mit den Ländern zusammenzuarbeiten. In den Parlamenten kriegen wir aber keinen Millimeter Bewegung hin, weil niemand Kompetenzen abgeben will.

Wie wollen Sie bundesweite Volksentscheide möglich machen?

Das geht nur über Änderungen der Verfassung, und dafür brauchen wir eine parteiübergreifende Zwei-Drittel-Mehrheit. Die SPD wird darüber mit den anderen Parteien sprechen. Wir alle sehen doch das Problem der sinkenden Wahlbeteiligung.”

Das sagt der heutige Vorsitzende der SPD, dessen Partei schon 1994 ihrerseits im Bundestag einen Gesetzentwurf zur „dreistufigen Volksgesetzgebung” - wie damals auch die PDS und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - eingebracht hatte. Der auch alle Informationen zur „Gretchenfrage” auf den Tisch bekam und natürlich auch die Petition vom 9. 11. 2009. Es scheint ihm das alles unbekannt.

SPIEGEL-OLINE kommentiert, wie wahrscheinlich noch viele andere Blätter jetzt im Sommerloch, Gabriels Äußerung so:

„Sigmar Gabriel: Entdeckt Bürgerbeteiligung als Mittel, den Bürger zu erreichen

Die Zeichen der Zeit sind klar: Online-Petionen und Bürgerbegehren erfreuen sich wachsender Beliebtheit, während den Parteien Wähler und Mitglieder davonlaufen. Zeit für mehr direkte Demokratie, findet SPD-Chef Sigmar Gabriel - und sucht darüber das Gespräch mit den anderen Parteien.

Berlin/Hamburg - Die SPD will mit Hilfe von Volksentscheiden die Bevölkerung stärker an politischen Entscheidungen beteiligen. Man werde mit den anderen Parteien über eine Verfassungsänderung zur Einführung von bundesweiten Volksentscheiden sprechen, kündigte SPD-Chef Sigmar Gabriel in der “Bild am Sonntag” an. “Alle vier Jahre ein Kreuzchen machen ist doch nicht der Gipfelpunkt der Volksherrschaft. Volksentscheide sind manchmal sogar der einzige Weg, Politik aus ihrer Selbstblockade zu befreien.”

Gabriel sieht offenbar den wachsenden Verdruss über den Mangel an Mitwirkungsmöglichkeiten als Mitursache für die viel beschworene Politikverdrossenheit: “Wir alle sehen doch das Problem der sinkenden Wahlbeteiligung.”

Das gilt zumindest für Wahlen, das Engagement in und für Parteien und andere tradierte Formen der politischen Partizipation: In Online-Petionen und Bürgerbegehren, politischen Blogs und Initiativen zeigt sich ein anderes Bild - die Gesellschaft scheint politisiert wie seit Jahren nicht mehr.

Nur finden Bürger, Parteien und etablierte politische Eliten eben immer seltener zueinander. Im “Focus” drückt das der bei der Präsidentschaftswahl unterlegene Kandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, so aus: “Wir sind in einer gefährdeten Situation, weil das hochkomplexe Politikgeschäft immer stärker von Managern des Politischen geprägt wird.”

Politisch Interessierte außerhalb der Institutionen würden derweil abgehängt, weil sie “nicht die kommunikativen Mittel” hätten, “sich Gehör zu verschaffen”. Gauck unterstützt die Idee der direkteren Bürgerbeteiligung - die im Falle einer Präsidenten-Direktwahl wohl ihn anstelle von Christian Wulff zum Staatsoberhaupt gemacht hätte.

Bürgerbeteiligung ist nicht vorgesehen

Den Weg zu einer häufigeren, leichteren Beteiligung der Bürger am politischen Prozess aber versperrt die Verfassung: Die damals noch frische Erfahrung der Verführbarkeit des Volkes durch Demagogen bewegte die Väter des Grundgesetzes dazu, die Hürden für Volksentscheide und -beteiligungen enorm hoch zu legen; aus gleichem Grund sorgte man mit der Fünf-Prozentregelung dafür, dass es im Parlament nicht zu “Weimarer Verhältnissen” mit vielen Kleinparteien kommen sollte.

Ob all das noch zeitgemäß ist, wird seit langem diskutiert, wenn bisher auch selten seitens der Volksparteien. Um bundesweite Volksentscheide - die beispielsweise in der Schweiz zum Standard-Repertoire der Politik gehören - zu ermöglichen, brauchte die SPD eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat, um das Grundgesetz entsprechend ändern zu können. Ohne einen Konsens der großen Parteien in dieser Sache bewegt sich gar nichts.

Volksentscheide gibt es bislang nur in einzelnen Bundesländern - nicht immer sind sie politisch bindend. In Bayern hatte sich Anfang Juli - durchaus nicht im Sinne der regierenden CSU - eine Mehrheit für ein striktes Rauchverbot ausgesprochen. Am kommenden Sonntag steht in Hamburg eine Abstimmung zur Schulreform an, die für die Regierung der Hansestadt ebenfalls nicht positiv ausfallen könnte. Vielen Parteipolitikern ist die direkte Bürgerbeteiligung auch darum ein Graus: Es bedeutet ein Stück Aufgabe der Macht.

Doch nicht alles, was etabliert, Konsens und Status Quo ist, ist auch konstruktiv. So sieht Gabriel unter anderem bei der Bildungspolitik bundespolitischen Handlungsbedarf - doch Bildung ist Ländersache. Kein Bürger verstehe aber, warum es dem Bund verboten sei, in diesem Bereich mit den Ländern zusammenzuarbeiten, so Gabriel: “In den Parlamenten kriegen wir aber keinen Millimeter Bewegung hin, weil niemand Kompetenzen abgeben will.”

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Ich werde es dieses Mal euch überlassen, sich darum zu kümmern, dass in den verschiedenen Gazetten die Debatte nicht ohne unsere Stimme und ohne die Hinweise auf http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de abläuft.

Mit Gruß

Wilfried Heidt